„Denn darin wurzelt ja der ganze Reiz und die Wonne des Jagens, dass der Mensch, der durch seinen unvermeidlichen Fortschritt aus der urväterlichen Nachbarschaft mit Tieren, Pflanzen und Gestein, kurz der Natur verdrängt ist, sich der künstlichen Rückkehr zu ihr erfreut, der einzigen Beschäftigung, die ihm so etwas wie Ferien vom Menschsein gestattet.“
(Ortega y Gasset) Jagd und Brauchtum sind zwei Begriffe, die nicht von einander getrennt betrachtet werden können.
Was wäre die Jagd ohne Tradition und Brauchtum, was wäre gerade das Brauchtum ohne die Jagd? Antwort: Eine Reduktion auf bestimmte Grund-Tätigkeiten, ein profaner Purismus, der sich technokratisch darstellt? Ein „Homo Faber des Waldes“ hätte keine Berechtigung zur Ausübung des Waidwerks, fehlt doch der göttliche Funke in der Erkenntnis und im Tun!
Über Jagd bzw. deren Gebräuche gibt es aus der Frühgeschichte so gut wie keine Aufzeichnungen bzw. Dokumentationen. Tierzähne, die durchbohrt waren und wahrscheinlich als Schmuck dienten deuten wage auf die ersten Gebräuche hin. Ausgehöhlte Mammutzähne und Wisenthörner liefern einen Hinweis auf die Verwendung als Signalinstrument.
Die römischen Geschichtsschreiber wie Caesar (100 bis 44 v. Chr.), Tacitus (56 bis 117 n. Chr.), Plinius der Ältere (23 bis 79 n. Chr.) etc. erwähnten immer wieder die Jagd als Ertüchtigung und Vorübung für das Soldatenleben, aber Verhaltensweisen der von den Römern unterworfenen Völkers gibt es nicht. Caesar soll bezüglich des „germanischen Jünglings“ erwähnt haben, dass derjenige am meisten geachtet wurde, der die größte Anzahl von Hörner von selbsterlegten Urstieren sein Eigen nennen konnte.
Erste Aufzeichnungen über die Kelten an der Donau lieferte Arrian (95 bis 180 n. Chr.). Er schilderte die Kelten als Volk, dass nicht um des Jagens Willen jagte, sondern bereits so etwas wie die Weidgerechtigkeit kannte. Beliebt war die Hasenhetze zu Pferde, wobei maximal zwei Windhunde dem Hasen nachliefen und diesen lebend zum Jäger zurückzubringen hatten.
Im „Leges Barbarorum“, dies ist ein veralteter Überbegriff für die germanischen Rechtsaufzeichnungen des frühen Mittelalters, konnte man nicht nur die Wandlung der Jagd, inklusive Gesetz und Gebräuche, hin zum ritterlichen Vergnügen nachvollziehen, sondern auch die Beschreibung der Jagdhunde (Leit- und Spürhunde) und deren Einsatz.
Die im „Leges Barbarorum“ überlieferten Bräuche bekamen im Laufe der Zeit Bedeutung von Gesetzen. Diese Gesetze beinhalteten teils drakonische Strafen, was aber wiederum den hohen Stellenwert der Jagd widerspiegelt: z.B.: wer einen Beizvogel entwendete, musste sich 6 Unzen Fleisch „super testone“, also auf seinem Hoden vom Beizvogel kröpfen lassen.
Eine zentrale Bedeutung wurde bei der Jagd dem „Jagdhorn“ zuteil, wobei nur der gerechte (ausgebildete) Jäger berechtigt war ein Horn zu tragen. Die normalen Jäger trugen ein Horn vom Ochsen oder Büffel, die Adeligen ein Horn aus Elfenbein. Geschichtlich wurde dieses Horn im Altfranzösischen als „Olifant“ bezeichnet, was ja bereits vom Rolandslied bestens bekannt sein dürfte.
Mit der Einführung der Bannforste im 8. bis 14. Jahrhundert wurde die Jagd immer mehr eine höfische Angelegenheit der Könige und Fürsten oder der mit diesen Forsten Beliehenen.
Vor dem 9. Jahrhundert wurden die königlichen Forste als „forestes“ bezeichnet. Eine „foresties“ war ein rechtlich genau bezeichneter Nutzungsbezirk des Königs. Das Nutzungsrecht innerhalb dieser Bezirke bezog sich auf Jagd, Fischfang und Holznutzung. Die rechtliche Voraussetzung für die Errichtung eines Forsts war das königliche Verfügungsrecht über unbewohntes Gebiet (ius eremi). Ab dem 8. Jahrhundert situierten Kirche und Adel ebenfalls solche „ferestes“ oder übernahmen die des Königs.
Da die Jagd immer mehr an Bedeutung gewann ändert sich im 9. Jahrhundert die Bezeichnung von der „forestes“ zu „Wildbann“. Das Gebiet konnte mehrere Eigentümer haben, wobei der König das Jagdrecht inne hatte und die Waldaufsicht ausübte.
Erst im 15. Jahrhundert wird das Wort „Wildbann“ durch „Forst“ ersetzt. Forst bedeutet, dass in diesem Gebiet die Forsthoheit ausgeübt wurde.
Das Wild und der Wald wurden durch die Erbauung von sogenannten Wildhuben (Siedelhöfe) gewährleistet, wo der Forstmeister gleichzeitig auch wohnte.
Hingegen lag die Verwaltung des Wildbannes in den Händen eines Vogts.
Karl der Große (742 bis 814 n. Chr.) hatte bereits in Brühl bei Aachen einen Wildpark. Die dabei zur Anwendung gelangten Gebräuche der Jagd waren Vorbild und beeinflussten die gesamte Jagdausübung in Deutschland der damaligen Zeit. Zum Gutteil hatten diese Sitten ihren Ursprung im „Gallischen“. Viele Ausdrücke, Zurufe und Rituale hatten in Folge bis in das 18. Jahrhundert eine „französische Note“.
Eine zentrale Rolle nahm die Beizjagd ein. So verfasst Kaiser Friedrich II (1194 bis 1250 n. Chr.) sein berühmtes Buch „De arte venandi cum avibus“ (Von der Kunst der Jagd mit Greifvögel), welches bis heute noch Verwendung findet.
Bannforst deshalb, da jeder, der in diesem Forsten ein Jagdvergehen beging, mit dem Bann belegt wurde. Ursprünglich bezeichnet der Wildbann ein alleiniges königliches Jagdrecht im Mittelalter. Allerdings konnte der König gegen Entrichtung eines „Wildgelds“ auch das Recht zur Jagd im Wildbann anderen erlauben.
Der Lehrling musste drei Jahre (Behänge) durchlaufen, bevor ihn der Lehrprinz feierlich zum „wehrhaften“ Jäger machte. Das erste Ausbildungsjahr war durch die intensive Betreuung (Fütterung und Pflege) der Hunde, insbesondere die des Leithundes, gekennzeichnet. Daher wurde der Lehrling auch in diesem Jahr als „Hundejunge“ bezeichnet, was in unserem heutigen Sprachgebrauch sich noch als „Hundsbua“ erhalten hat, was aber eher einer Beschimpfung, denn einer Standesbezeichnung gleichkommt.
Im zweiten Behang wurde der Lehrling als „Lehrbursche“ bezeichnet, durfte das Jagdhorn an den Hornfesseln tragen und wurde vom Lehrprinzen in alle waidmännische Gebräuche und Facetten der Jagd eingeweiht und geschult; dadurch wurde er „hirschgerecht“. Durch die Beantwortung und Schulung von forstlichen Fragen wurde der Lehrbursche „holzgerecht“. Die „Hundegerechtigkeit“ wurde durch das Abführen des Leithundes und das Dressieren der Jagdhunde erlangt, sowie die „Schießgerechtigkeit“ durch das Üben mit der Flinte.
Im dritten Lehrjahr wurde aus dem „Lehrburschen“ ein „Jägerbursche“. Nach Vollendung des dritten Lehrjahres bekam der Jägerbursche seinen Lehrabschied. Im Rahmen einer Zeremonie und einem anschließenden Fest, das manchmal mehrere Tage andauerte, wurde nun der Jägerbursche durch seinen Lehrprinz zum Jäger ernannt.
Speziell für den Leithund gab es genau vorgeschriebene Übungen, um diesen auf die Schweißfährte zu führen bzw. abzutragen. Das „cureé des chiens / Gepfneisch“ war eine Brauch, um die Jagdhunde, nach erfolgter Jagd, gemäß strenger Vorschriften und Ritualen, zu belohnen. Faulender Käse wurde z.B. dem Leithund verfüttert, um dessen Geruchssinn zu schärfen.
Nach dem Verblasen überreichte der Oberjägermeister dem Jagdherrn einen Bruch von einer Eiche oder Kiefer. Das war das Zeichen dafür, dass sich alle Jagdteilnehmer sich ebenfalls eine Bruch auf den Hut steckten. Sollte unwaidmännische Verhalten während der Jagd vorgekommen sein, so erhielt der „Übeltäter“ seine Pfunde, was ja bekanntlich noch heute üblich ist.
Die Jäger erhielten häufig vom Jagdherrn einen „Hirschdukaten“, besonders dann, wenn ein starker Hirsch erlegt wurde. Ebenfalls entsprach es dem damaligen Brauch, dass man dem starken Hirschen einen Gedenkstein im Revier errichtete. Auf diesem Stein wurden dann das Abbild und die genauen Daten über Zeit, Erlegung, Endenanzahl und Gewicht etc. eingemeißelt.
Das Wild wurde an Ort und Stelle zerwirkt, wobei der rechten Seite eine besondere Bedeutung zukam: Das Wild wurde auf die reche Seite gelegt, rechts sollte möglichst der Fang gegeben worden sein, der rechte Vorderlauf war der ehrenvollste und am rechten Vorderlauf wurde mit dem Zerwirken begonnen.
Nach der Heimkehr von der erfolgreichen Jagd gab es festlich gerichtete Tische und Tafeln, ein Jagdbursche brachte den Oberjägermeister den Willkommenstrunk, der ihn seinerseits dem Jagherrn kredenzte. Setzte der Jagdherr zum Trinken an, wurde von Jägern auf den Flügel- und Hifthörner geblasen und ein „Weydgeschrei“ gemacht.
Auf sogenannten Jägerhöfen (Huben), wo der Jägermeister mit seinen Mitarbeitern den Wald verwaltete, wurde besonders das Brauchtum gepflegt und weiter entwickelt. Berühmtheit bekam der hannoversche Jägerhof, der 1677 in Celle gegründet und 1772 nach Hannover verlegt wurde, da hier die Zucht der hannoverschen Schweißhunde ihren Anfang nahm.
Brauchtum ist immer Ausdruck der geltenden Geisteshaltung und der Tradition. Spiegelbild für beides ist die jeweilige Gesetzgebung. Blickt man in der Geschichte der Jagd zurück, so gab es zu keinem Zeitpunkt ein besseres Gesetz für die nachhaltige Achtung der Natur und zum Schutze der Geschöpfe.
Ursprünglich erhielten die Jäger ihren Lohn in Naturalien, dem Jägerrecht (großes und kleines).
Das Große bestand aus Haupt, Hals mit dem Vorschlag bis zur dritten Rippe, die Haut, das Geräusch, Herz, Leber, Nieren, der Lungenbraten und der Feist. Speziell in Österreich gehörte der „Jägergriff“ noch dazu: es ist dasjenige Wildbret, welches nach dem Auslösen der beiden Rippenseiten, an den Keulen zu beiden Seiten noch vorhanden ist. In manchen Teilen Österreichs war es aber auch Brauch sogenannte „Deputatstücke“ den Hilfsjägern zu überlassen. Dies waren die sogenannten „Hosengams“, da aus deren Decke die Jäger sich die kurzen Lederhosen fertigen ließen. Weiters gehörte das Fallwild oder das gerissene Wild den Jägern. Irgendwann stellt man dann auf Schussgeld um.
Das „kleine Jägerrecht“ steht heute demjenigen Jäger zu, der das Stück Wild versorgt. Es umfasst das „Geräusch“: Zunge, Herz, Lunge, Leber, Milz und Niere
Die Jägersprache ist natürlich keine eigene Sprache im sprachwissenschaftlichen Sinne, sondern resultiert aus der genauen Beschreibung von Naturbeobachtungen und den Zeichen des zu erlegenden Wildes. Bereits im 12. Jahrhundert entwickelte sich die „Jägersprache“ als eine Art Gilden bzw. Zunftsprache der Berufsjäger. Sie war Ausdruck von Wissen und gleichzeitig ein Zeichen der Verbundenheit innerhalb der Jägerschaft. Zu dieser Zeit gab es bereits 20 sogenannte „Hirschzeichen“, die ab dem 12. Jahrhundert bis heute auf 72 Zeichen anstiegen. Im 17. und 18. Jahrhundert kamen die Ausdrücke aus der „Niederwildjagd“ dazu bzw. wurden die Fachausdrücke und dem Zeitgeist entsprechende Formulierungen verwendet.
Ein anderer sehr interessanter Ansatz ist derjenige, dass das Jägerlatein sich aus dem Aberglauben heraus entwickelt hat. Um nicht die eigentliche Sprache zu verwenden, und damit den Wald und das Wild zu warnen, wurden einfach Fantasie- bzw. Ersatzworte verwendet.
Die heutige Jägersprache ist zu einer Fachsprache geworden, die zur genauen Verständigung dient, und umfasst ungefähr an die 3.000 Ausdrücke. Wird diese jedoch benutzt, um Nichtjäger von der Kommunikation auszuschließen, ist dies dem Ansehen der Gilde sicher nicht zuträglich.
Eines unter vielen elektronischen Jagdlexika ist z.B.: www.noe-spaniel.at, (zuerst „Jagdliches“ und dann „Jagdlexikon von A – Z“ anklicken).
Otto Eduard Leopold Fürst von Bismarck-Schönhausen (1815 bis 1898 n. Chr.) zum Thema: „Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“
Das Jägerlatein ist sicherlich so alt, wie die Jagd selbst. Dieses „Latein“ wird vorwiegend als Instrument zur Übertreibung, zum Überspielen von jagdlichen Misserfolgen und zur indirekten Überprüfung des Wissens der Gesprächspartner verwendet.
Die Angemessenheit der Ausdrucksweise und das Ausmaß der Distanz zur Wahrheit sollten davon abhängig gemacht werden, ob das Erzählte die Grenze des allgemein gültigen Erträglichen überschreitet oder nicht. Dreistigkeit und Frechheit haben nichts mit der „morgenländischen Anwendung“ der Sprache gemeinsam.
Dass Denker bzw. Feldherrn nicht immun gegenüber dieser „Erzählform“ sind, zeigt sich im Bericht „Commentarii de bello Gallico“ eines gewissen Gaius Julius Caesars (100 bis 45 v. Chr.):
Die Elche in Germanien haben keine Gelenke in den Läufen und sind daher gezwungen, dass sie sich nachts an Bäume (Schlafbäume) anlehnen, um so deren Schlafbedürfnis zu stillen. Die Germanen sägten nun diese Schlafbäume am Tage an, die Elche lehnten sich nachts daran an, die Bäume gaben unter den Gewichten der Elche nach, die Elche kippten um, sie konnten aber – mangels Gelenke – nicht mehr auf und wurden so leichte Beute der germanischen Jäger.